In meiner Erziehung spielte Muttertag keine Rolle.
Es waren die Kindergärten, Horte und Schulen meiner Kinder, die diesem Tag einen besonderen Anstrich gaben. Ich mochte die Klebe-und Bastelarbeiten, die ersten selbstgeschriebenen Wörter und Karten, die mit ausgeschnittenen Blumen verziert waren. Manches davon habe ich in einer Schublade aufbewahrt.
In der Erziehung meiner Eltern spielte Muttertag keine Rolle. Vielleicht hatten sie, aufgewachsen mit Mutterkreuz und ideologischer Aufladung auf der einen Seite und sozialdemokratischer Prägung andererseits genug von der Ambivalenz. Vielleicht hatten sie aber auch die Nase voll von einer Mutterschaft, die vor allem mit der Bewältigung von Verlusterfahrungen verknüpft war; einer Mutterschaft, die im 2. Weltkrieg die Väter, Brüder und Söhne nicht zurückkommen ließ und niemand mehr da war, der ihnen überhaupt danken konnte, dass sie diese Kinder geboren hatten. Ich weiß es nicht.
Heute sitze ich in der Universitätsstadt meiner Tochter beim Frühstück. Um mich herum Familien und viele Mütter mit Blumensträußen, nicht selten sitzen drei Generationen an einem Tisch. Die kleinen Kinder rennen im Frühstücksraum herum, die Männer bezahlen and der Kasse. Stimmt, da war doch was! Zwei meiner Kinder haben mir per WhatsApp zum Muttertag geschrieben. Ich freue mich über ihre Wertschätzung. Dass der Tag bei den anderen in Vergessenheit geraten ist, ist nicht weiter tragisch.
Der Muttertag ist für mich ein Tag der Ambivalenzen. Ich möchte nicht einmal im Jahr für etwas gefeiert werden, was 365 Tage im Jahr meinen Alltag, auch meinen Arbeitsalltag, bestimmt. Fürsorge, den Alltag am Laufen halten, Kümmern, zig Terminkalender im Kopf haben, Jonglieren zwischen zwei Logiken. Dennoch ist all dies kein Verdienst der Mutterschaft. Diese Erfahrungen sind eingebettet in ein gesellschaftliches System, dass nicht funktionieren würde, wenn nicht Männer wie Frauen diese Form von Fürsorgearbeit selbstverständlich und meistens klaglos übernehmen würden, und dies auch nicht nur für ihre eigenen Kinder.
Der Erziehungswissenschaftler Sebastian Honig hat mal geschrieben: Das Vereinbarkeitsproblem ist nicht gelöst, „solange das betriebliche Prinzip der Effizienz, das ́Zeit gewinnen müssen dominiert, denn Familienleben muss ́Zeit verlieren ́können.“ (Michael-Sebastian Honig, Entwurf einer Theorie der Kindheit)
Ich wünsche mir, dass das Bewusstsein für den Zeitbedarf und die eigene Logik von Fürsorgearbeit wächst. Sie geschieht nicht „nebenbei“ und sie lässt sich nicht einfach in die ökonomische Logik eingliedern, wie ein separater Arbeitsbereich, der vor allem gut organisiert werden muss. Sie kostet Zeit, sie kostet Geld. Dafür braucht es mehr als Blumensträuße.