Skip to main content

Ich bin das erste Mal in Indien. Das erste Mal überhaupt soweit das erste Mal Richtung Osten geflogen. Für mich ist alles neu: Der laute, chaotische Verkehr, das permanente Hupen von Autos, Motorrädern, Rischkas. Ich sehe Fahrräder, bei denen man die Luft anhält, wenn man sie sieht, 10 Paletten Eier übereinander transportiert eine Frau. Die Lastenfahrräder in Deutschland wirken wie SUV dagegen. Ausrangierte Golfwagen, die in ihrem früheren Leben über akkurat geschneites Gras gefahren sind, werden hier zu motorisierten Taxis. Hier hat niemand Schutz im Straßenverkehr. Ein Mann läuft quer über eine vielbefahrene Straße, ich zucke zusammen, mir sitzt der Schreck in den Knochen. Mein Mitfahrer bemerkt meine Anspannung “wenn kein Mensch eine volle Straße überquert, dann bist du nicht in Indien”, sagt er lächelnd. Am Ende der Reise werde ich mich daran gewöhnt haben. Auf den Motorrädern sitzen ganze Familien: Vorne ein Mann, manchmal mit Helm, hinter ihm flattert ein buntes Tuch von den Schultern einer Frau, zwischen ihnen sitzt ein Kind, oft auch zwei. Manchmal mit Schuluniform, manchmal nur mit bloßen Füßen in abgelaufenen Schlappen. Auch die motorisierten Rischkas sind oft voll besetzt und zusätzlich mit Kartons, Käfigen und Körben beladen. 

Gegen Abend entdecke ich am Straßenrand Menschen, die sich für die Nacht vorbereiten. Ein Zelt aus abgewetzten Stoffbahnen, ein ausrangierter Einkaufswagen, mit dem, was man hat wird zum Schlafplatz für die Nacht. Menschliche Gestalten huschen unter der Brücke entlang, an einem Mofa gelehnt steht ein Mann und raucht. Es ist die Armut, die Häuser ohne Fenster, die Balkone ohne Geländer, die mit Holz verschlagenen Türen, wo früher einmal Geschäfte waren, der zusammengekehrte Abfall, der so grau ist, dass nichts mehr zu erkennen ist, das fällt mir als erstes ins Auge. Auf einer Mauer ist eine verblichene Werbung für den TOEFL Test zu sehen. Der Test, der bei vielen Universitäten im Ausland Voraussetzung ist, um zum Studium zugehalten zu werden. Beides scheint mir denkbar: die Sehnsucht nach einem anderen Leben und dass diese Sehnsucht schwächer wird …

Top