„Klein war sie, glänzend, heiter. Blau und weiß. Zerbrechlich.“ Dieses Bild ist seine stärkste Erinnerung nach all den Jahren. So hat es Michael Collins, der ehemalige NASA Astronaut, als alter Mann in einem Interview gesagt. Er ist mit zwei Kollegen zur ersten bemannten Raumfahrt zum Mond aufgebrochen. Während die beiden Anderen berühmt wurden, weil sie als erste Menschen auf dem Mond ihren Fußabdruck hinterließen,blieb er im Raumschiff sitzen und warf einen Blick zurück. „Klein war sie, glänzend, heiter. Blau und weiß. Zerbrechlich.“, so hat er die Erde gesehen.
Earthrise so wurde das Foto später benannt, das während dieses Fluges aufgenommen wurde. Es wurde zum Spiegel einer neuen Schöpfungserfahrung. „Klein war sie, glänzend, heiter. Blau und weiß. Zerbrechlich.“ Aus diesen Worten spricht ein ehrfürchtiges Staunen. Michael Collins hat sich diesen Blick zeitlebens bewahrt. Er hat gesehen, wie zerbrechlich und schutzbedürftig die Erde ist. Diesen Blick hat er den Politikern gewünscht, weil er fest davon überzeugt war: „Dieser Blick verändert die Art, wie wir als Menschen mit der Erde umgehen. Angesichts der Vermüllung der Ozeane, der Ansammlung von Abfall war für ihn ganz klar: So behandelt man keine Planeten.
Damit entstand eine neue planetarische Perspektive auf den Menschen: nicht mehr Nationalstaaten oder Ideologien standen im Vordergrund, sondern die gemeinsame „Menschheit auf einem Raumschiff Erde“. Jürgen Moltmann und andere nahmen diese Bilder auf, er bescheinigte der Kirche eine Engstirnigkeit, wenn sie sich nur auf die Menschen beziehe und ihre kosmische Dimension nicht wahrnehme. Die Erde ist zerbrechlich und schutzbedürftig. Wer behutsam darüber staunen kann, weiß, die Erde muss gut bewahrt werden, wenn wir noch lange auf ihr leben wollen. Der Blick, den Michael Collins auf die Erde werfen durfte, war sehr konkret. Zum Glück gewinnt man das ehrfürchtige Staunen nicht nur, wenn man zum Mond fliegt. Auch hier auf der Erde kann ich wahrnehmen, wie zerbrechlich und schutzbedürftig sie ist. Wer so staunen kann, hat im Blick, dass das, was wir heute mit und auf der Erde tun, Auswirkungen in der Zukunft hat.
Gott, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter“ – so haben wir gerade mit Worten des Psalms 104 gebetet. In dem Psalm kommt, wie in vielen anderen Psalmen auch, diese Grundhaltung des Staunens zum Tragen. So, wie Navid Kermani, der Schriftsteller, Publizist und Orientalist das Staunen als grundlegende geistliche Haltung versteht, das um die Grundfragen kreist, ohne sie je abschließend zu beantworten, gar zu beweisen zu können: Wie ist das gemacht? Wo komme ich her?
Seit 1989 wird in der Ökumene der 1. September als Gebetstag für die Schöpfung gefeiert. Im Jahr 2000 entwickelte eine lutherische Gemeinsaft in Australien eine vierwöchige Schöpfungszeit, die sich langsam weltweit verbreitete. Seit 2010 lädt auch der ACK die Mitgliedskirchen zur Feier einer Schöpfungszeit zwischen dem 1.September und dem 4. Oktober ein. Nie war es notwendiger als heute, auf die Folgen unseres menschlichen Verhaltens hinzuweisen- nie war es notwendiger als heute, dies insbesondere in den hochindustrialisierten Staaten zu tun. Sich darauf zurück zu ziehen, nur ein Prozent der Weltbevölkerung zu sein, verschleiert, historisch für einen größeren Anteil des CO2 Ausstoßes verantwortlich zu sein.Und doch wissen wir, auch wenn dieses Wissen zunehmend relativiert, hintenan gestellt und sogar bestritten wird.: Um die Zukunft der Erde und des menschlichen Lebens auf der Erde ist es schlecht bestellt. Dürresommer, Überschwemmungen, Feuer. Weltweit. Das Staunen könnte eine wichtige geistliche Ressource sein, die wir als Kirche in die Wahrnehmung der Welt und unserer selbst eintragen. Genau so wichtig ist es, aus diesem Staunen auch Konsequenzen zu ziehen. Genau hinzuschauen.
Wenige Jahre vor dem Bild aus dem Weltall hatte die Biologin Rachel Carson 1962 ein Buch unter dem Titel, Silent Spring, der stille Frühling,veröffentlicht. Es wurde zur Initialzündung de weltweiten Umweltschutzbewegung. Sie beobachtete, wie der Einsatz von Pestiziden das Ökosystem zerstörte, mit dem Titel machte sie auf die Folgen aufmerksam: Der Frühling bliebe still, ohne Vogelgesang, ohne Insekten, ohne die Stimmen der Natur. Gott, wie sind deine Werke so groß und viel! Du hast sie weise geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter“Die Bibel kennt die heutigen, die menschengemachten Gefährdungen der Natur nicht. Aber durch die biblischen Texte spricht eine Ehrfurcht, ein Staunen über den Kosmos, eine Freude und das Ahnen einer tiefen Weisheit, die sich darin verbirgt. Staunen verbindet sich mit genauem Hinsehen, Staunen verbindet sich mit der Empfänglichkeit, die weiß, dass auch der Menschen Teil der Natur ist. Es ist der Blick auf die gemeinsame Welt, die in der poetischen Sprache der Psalmen ins Zentrum gerückt wird.