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An einem der letzten Abende war ich von meinem Tag recht angestrengt. Ein paar mails hatten mich geärgert, dann gab es welche, die mich daran erinnert haben, was ich noch tun muss, und bei manchen dachte ich nur: „Stimmt, das ja auch noch!“ Dazu kam, dass ich mich über meine Kinder geärgert hatte: Das übliche: Spät aufstehen, die fertige Spülmaschine gekonnt ignorieren, Krümel auf dem Tisch nur nach Aufforderung wegmachen – alles Kleinigkeiten, aber sie haben mich genervt. Und dann musste ich mich noch an den Schreibtisch setzen! Es war kurz vor acht Uhr abends- und wenn ich um die Zeit zu Hause bin, dann schaue ich oft die Tagesschau- das Übliche halt. – Doch an diesem  Abend habe ich gemerkt, wenn ich jetzt noch Putin und Trump sehe und jemand mir den Irrsinn versucht rational zu erklären, dann brauche ich mich gar nicht mehr an den Schreibtisch setzen, dann verkrieche ich mich im schweren Gefühl, dass alles sehr anstrengend ist. Also habe ich mir den Hund geschnappt  und bin aufs Feld.

Vom Weg sah ich im Sonnenrot einen Heißluftballon, über den Dächern von Gonzenheim, die Felder waren abgemäht, nur eins steht bei uns hüfthoch und ist mit so hohen Pflanzen bewachsen, die aussehen, wie Riesenlöwenzahn, und deren Samen vom bloßen Lüftchen auf diese Abendwiese segeln- und ich dacht nur, was können die für Sorgen haben, so leicht wie sie sind… Und dann kam mir auf dem Weg ein Nachbarsehepaar entgegen, eines, von dem ich den Namen gar nicht kenne, und mit denen ich noch nie ein Wort gewechselt habe. Die beiden kamen mir entgegen, er zeigte mit einer weiten Handbewegung auf die Felder, schauet mich an und sagte: Ist das nicht schön?!

Wir lächelten uns an und ich sagte: „Ja, das ist wunderschön.“ Und dann gingen wir jeweils weiter und ich dachte: „Komisch, dass ich einen der schönsten Momente an diesem Tag mit einem Menschen teile, den ich gar nicht kenne. Oder kaum.“ Dass ich für einen Moment das Gefühl hatte: Jetzt ist mal gerade gut, so wie es ist. Es fühlte sich schön und leicht an, mit dem Hund spazieren zu gehen.

Die Losung für heute erzählt von einem anderen Lebensgefühl: Es ist das Ende der Erzählung vom Garten in Eden im Buch Genesis: „Gott spricht: Im Schweiß deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bist zum Erdboden zurück kehrst, denn von ihm bist du genommen. Denn Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück“ (1. Mose 3,19). Und obwohl wir zumindest heute nicht mehr körperlich so schwer arbeiten, dass uns der Schweiß von der Stirn rinnen würde- dass es Menschen gibt und Umstände, die uns förmlich einen Stress Schweiß im Körper verursachen- das kennen wir. Hinter diesem Lebensgefühl steckt ja die Erfahrung Du bekommst nichts geschenkt. Anstrengen musst du dich- jeden Tag aufs Neue. Und oft genug wirst du das Ende deiner Kräfte dabei spüren. Bin ich da nicht besser dran mit meinem Abendsparziergang und dem Gefühl: so leicht kann es auch mal sein?! Was ist also dran an dieser „im Schweiß des Angesichts- Erfahrung“?

Jürgen Ebach empfiehlt, die Geschichte von hinten zu lesen und beim Ergebnis anzusetzen: „Das Ergebnis ist das, was der Fall ist, die historische Realität. Menschen arbeiten gegen eine widerständige Natur. Frauen gebären Kinder mit Schmerzen, Männer herrschen über Frauen.“ Dieses Ergebnis ist aber keine Strafe Gottes in Folge der Übertretung seines Verbotes, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Es ist in der biblischen Geschichte  nicht die Arbeit an sich, die die Folge des sogenannten Sündenfalls markiert, sondern die Arbeit gegen eine widerständige Natur. Gearbeitet wird im Paradies sehr wohl, bebauen und bewahren, das sind die entscheidenden Stichworte.

Jürgen Ebach versteht die Geschichte aus dem Garten Eden ist eine Geschichte des Erwachsenwerdens. Nicht nachdem die Frau von der Frucht gegessen hat, erkennt sie gut und böse, sondern indem sie das Verbot überschreitet, bestimmt sie für sich selbst , welchen Regeln sie folgen will und welchen nicht. Die Geschichte erzählt uns von einer Erfahrung, ohne die wir uns nicht entwickeln könnten, ganz krass gesagt, ohne die wir nicht weiterleben könnten. Der Fall im Garten Eden endet nicht mit dem Tod, nicht mit dem Beziehungsabbruch schlechthin. Sondern diese Erzählung rückt den Menschen in seiner Freiheit in den Vordergrund, für sich selbst zu entscheiden. Und mit dieser Freiheit immer auch ins Risiko zu gehen: Nämlich Fehler machen. Konsequenzen tragen. Die Autonomie hat ihren Preis.

In der biblischen Anthropologie der Mensch als freies Wesen gesehen wird, das Ideal ist nicht der Musterschüler, sondern der Mensch, der ein Gefühl dafür sich behält, wo er schief lag. Wo etwas selbst eingebrockt hat. Der sich fragen muss: Wo bist du, Adam? Hinter wlchen Ausflüchten versteckst du dich? Wo hast du dir selbst was eingebrockt? Wo zeigst du mit dem Finger auf andere und müsstest eigentlich dich selbst in den Blick nehmen? Die Geschichte vom Vorfall in Eden ist nicht der Blick des gerade Verliebten, der den anderen, die andere etwas verklärt sieht, großzügig über etwas hinwegsieht. Die biblische Erzählung ist da nüchterner: Den Blick des Verliebtseins trägt nicht über die lange Strecke. Sondern das Anstrengende, das Herausfordernde, kommt meisten, wenn man die Beziehung eingegangen ist. Dann geht es darum: Für was stehe ich gerade, wo habe ich eine Grenze überschritten? Wofür muss ich Verantwortung übernehmen, wo ich falsch abgebogen bin? Wo ich etwas gesagt habe, was mir hinterher leidgetan hat? Das kann anstrengend sein- Stress Schweiß verursachen. Im Schweiße des Angesichts auf sich selbst gucken. Wo bist du, Adam? Sich nicht wegducken. Wegmachen.

Ich möchte dieses Lebensgefühl vom Feld nicht missen. Das mich fallen lassen in eine Schönheit- ohne etwas dazu beizutragen- einfach nur genießen. Und so schön das ist und so wunderbar, wenn man sich in so ein Gefühl reinfallen lassen kann….ist das, was einem den Schweiß auf die Stirn treibt oft das, was einen gemeinsam weitergehen lässt. Und doch: Finde ich die Genesis Erzählung, aus der die Losung heute stammt, eine Einladung, innerlich zu wachsen. Mir vor Augen zu führen, welchen Preis ich mit meinen Entscheidungen bezahle, welches Risiko ich eingehe. Es ist eine Einladung, reifer zu werden in den Beziehungen, die ich eingehe – zu Gott- zu den anderen- mir selbst gegenüber.

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