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Hoffnung alleine macht kraftlos.

Liebe alleine verdorrt.

Alleine Klagen macht stumm.

Es sind diese fundamentalen menschlichen Erfahrungen, die in der Weihnachtszeit zum Tragen kommen, für die wir -vielleicht gerade jetzt- besonders sensibel sind. Weihnachten nie als Idylle erzählt worden, zumindest nicht von der Bibel, trotzdem erzählt Weihnachten von einer großen Hoffnung.

Die biblische Hoffnung heißt: Das, was ist, kann sich ändern. Und sie geht einen verwegenen Schritt weiter: Das, was ist, kann sich ändern. Zum Guten hin. Wider allen Augenschein. Wider alle Macht, die demonstriert und ausgeübt wird, die einschüchtert und vernichtet. Wider alle Macht, die polternd niedertritt, was sich ihr in den Weg stellt, die lächerlich macht und verunglimpft, was anders ist als das sogenannte „Normal“.  

Es gibt genug Gründe, hoffnungslos zu sein Angesichts des Zustandes der Welt. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen – löchrig. Ein friedlich-respektvolles Miteinander – vergraben unter lauten, abwertenden Tönen. Eben noch haben wir von den Folterkellern in Syrien gehört, erschreckend und grausam, auch weil wir wissen, es gibt sie nicht nur dort, es gibt sie auch anderswo auf der Welt. Weihnachten schützt uns nicht davor, die Welt zu sehen, wie sie ist. Weihnachten ist nicht die dick wattierte Decke, die uns die Härte der Welt vom Leib hält und die wir bis zur Nasenspitze hochziehen können, um nichts zu spüren.

Wir sind wohl ähnlich denen, die der Prophet Jesaja Generationen vor uns in Israel vor Augen gehabt hat: Ein Volk, das im Finstern wandelt. Eine Welt, die im Finstern wandelt. Menschen ohne Hoffnung, ohne Aussicht auf Besserung. Jesaja hat das Leben der Israeliten unter der Besatzungsmacht vor Augen, Lukas schreibt sein Evangelium im Angesicht des mächtigen Römischen Reiches. Und wir? Ein Blick in die Tageschau genügt, um zu wissen, dass Macht und Gewalt unsere Welt beherrschen. Doch: Jesaja, genau wie Lukas, schneidet die Welt von Gott nicht ab, sondern beide setzen die Hoffnung auf Gottes Macht mitten hinein in die Welt. Sie sehen die Welt wie sie ist und trotzdem und gleichzeitig nehmen sie and den Rändern etwas von einer anderen Wirklichkeit wahr. Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein helles Licht. Wie kommen sie dazu?

Jesaja setzt dieser Unterdrückung, der gewaltvoll demonstrierten Macht ein Hoffnungsbild entgegen: Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wir verbrannt vom Feuer. Und Lukas reduziert die Weihnachtsgeschichte nicht auf das Idyll eines warmen Stalls. Nein: Seine Krippe steht mitten im Römischen Reich. Jesaja und Lukas setzen der weltlichen Macht, der Ungeordnetheit der Welt, der friedlosen Gegenwart eine Hoffnung auf eine andere Zukunft entgegen, die durchdrungen ist von Frieden und Gerechtigkeit.

Wenn Gewalt im Spiel ist, gibt es oft zwei Reaktionen. Die eine Reaktion. Zynismus: Der Zynismus, der sagt: Selbst schuld an der Misere. Der Zynismus, der sagt: nach mir die Sintflut, was kümmern mich die Auswirkungen meines Verhaltes auf künftige Generationen? Der Zynismus, der sagt, erst ich und mein Land… was mit den anderen ist- egal. Die zweite Reaktion: Resignation. Die Resignation sagt: das sind Mächte, denen wir nichts entgegensetzen können. Die Resignation, die sagt: das geht mich nichts an, das müssen die Völker, die bedroht sind, selbst lösen; das müssen die Frauen, die bedroht sind, selbst regeln. Die Resignation, die sagt, es ist alles eh zu spät und nicht mehr zu retten.

Doch es gibt die widerständigen Geschichten und Bilder gegen Zynismus und Resignation. Militärstiefel, die nicht mehr gebraucht werden, weil es keinen Krieg gibt. Die Wölfe weiden bei den Lämmern, die Schwerter werden zu Pflugscharen umgeschmiedet, irgendwo am Rand der Welt kommt ein Kind zur Welt, von dem es heißt, jetzt sei Gott Mensch geworden.

Dieser Macht des Todes und des Mordens etwas entgegenzusetzen, spiegelt sich in den Kerzenschein, die seit Freitag den Magdeburger Dom erhellt, sichtbare Flammen, Ausdruck von lebendigem Schmerz und Klage, der sich nicht verstecken will, weil nur so Trost erfahren werden kann.

Die Mahnungen, dass jetzt etwas anderes dran ist, als 24 Stunden, nachdem das Assad Regime gestürzt ist, zu fordern, die Syrer sollten alle nach Hause. Der Macht des Populismus etwas entgegensetzen: Menschenfreundliche- besonnene Worte, die wissen, dass aus Trümmern über Nacht keine Zukunft entstehen kann.

Die Worte von Gisèle Pelicot, die von ihrem Ehemann und anderen brutal vergewaltigt worden ist: Die Scham muss die Seite wechseln. Ihre Worte setzen dem angstvollen Schweigen vieler Betroffener aus Sorge nicht ernst genommen zu werden, etwas entgegen: Schämen muss sich der, der sich vergreift und Gewalt tut, nicht die Betroffene.

Sich der Macht entgegensetzen, Hoffnung stiften für andere hat so viele Gesichter, hat so viele Wörter, hat so viele Gesten. Hoffnung gemeinsam schenkt Boden unter den Füßen. Liebe, die sich an andere verschenkt, schafft ein Gegenüber. Klage, die laut wird, dass andere es hören, schafft Trost und Solidarität.

Einer, der die Hoffnung als Form aller Glaubenserfahrungen erlebt und dann auch versucht hat in Worte zu fassen, war Jürgen Moltmann. Ein großer Theologe, der dieses Jahr verstorben ist. Er erlebt als junger Mann den Feuersturm in Hamburg, ist in englischer Kriegsgefangenschaft. Er erlebt Hoffnungslosigkeit, Verlorenheit und Hilfslosigkeit. Sei Buch Theologie der Hoffnung von 1964 hat viele Menschen geprägt. Für ihn war Hoffnung ein Ausdruck von Mut. Eine Haltung zur Welt, die mit dem Guten rechnet und gleichzeitig weiß, dass es sich nicht erzwingen lässt. Das Bild vom Reich Gottes, ist so ein Zukunftsbild. So kann Moltmann sagen: Hoffnung ist Ausrichtung und Aussicht nach vorne, und damit auch Wandlung der Gegenwart. Einen solchen Gott kann man, so Moltmann, „nicht in sich oder über sich […], sondern eigentlich immer nur vor sich haben […] und nur tätig hoffend erwarten.“

Hoffnung ist Ausdruck von Mut. Und tätig hoffend erwarten zeigt an: Hoffnung ist ein lebendiger Ausdruck von Menschen. Dazu passt, dass das Wort Hoffnung aus dem altdeutschen von hopen kommt, was so viel heißt wie springen und zappeln. Es ist damit eine lebendige Gefühlsregung – und es ist fast kein Wunder, dass die Hoffnung an Weihnachten an einem Baby angestoßen wird.

Es ist die Bewegung des Babys Johannes in Elisabeths Bauch, als Maria sie besucht, die selbst schwanger mit Jesus ist. Diese Hoffnungsgeschichte der beiden schwangeren Frauen führt zur Krippe, in der Jesus Christus geboren wird, und der nicht müde wurde, das Reich Gottes zu verkündigen. Dass Gefangene befreit werden, Hungrige satt werden, Blinde sehen und Lahme gehen können. Selig sind, die Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. Diese Hoffnungen sind in der Krippe bereits eingetragen. Elisabeth und Maria haben sie bereits angestimmt. Der Macht etwas entgegensetzen. Dies ist in den biblischen Hoffnungsgeschichten bewahrt, gerade darum können sie eine Quelle von Hoffnung sein, bis heute.

Die Hoffnung erzählt zwei Arten von Geschichten, so drückt es Fulbert Steffensky aus. Die einen fangen an mit „Es war einmal“ und sind Geschichten vom Guten Anfang. Die anderen beginnen mit: „Einmal wird es sein“. Fast scheint es also so zu sein, dass beide Formen der Hoffnungsgeschichte in der Weihnachtsgeschichte ineinander verwoben, werden: Es war einmal ein kleines Kind, das sein Leben in den Dienst an Gott stellte und so ein Gesicht wurde für das, was Gott will.

Und: Einmal wird es sein, dass Menschen sich anstecken lassen von der Liebe und der Güte und beieinander sind und Tränen und Klagen verwandelt werden. Hoffnungsgeschichten haben einen Anfang und erzählen von einer Zukunft. Sie erzählen vom Mut derer, die Hoffnung in sich tragen und sie erzählen von vom Mut derer, die wissen, dass man selbst nicht alles in der Hand haben muss, damit es besser ausgeht.

Noch einmal zum Schluss Jürgen Moltmann, der In einer späteren Auflage seines Buches rückblickend schreibt: »Es ging um nichts Geringeres als um die Überwindung des allgemeinen Existentialismus der Nachkriegszeit, um Zukunftsperspektiven für eine gerechtere, friedlichere und menschlichere Welt zu gewinnen. Wir wollten heraus aus der Apathie und suchten Hoffnungen, mit denen man leben kann.

Ja, Hoffnungen, mit denen man leben kann. Wir sind auf dem Weg, wir sind auf der Suche. Wenn wir diese Hoffnung heute Nacht, in der Heiligen Nacht miteinander teilen, uns anstecken lassen und die Resignation und den Zynismus nicht brauchen, um leben zu können, dann geschieht Weihnachten. Wenn wir in dieser Hoffnung der Welt begegnen, wie sie ist, dann muss uns das nicht einschüchtern. Dann können wir uns getrost in die Nachfolge Jesus rufen lassen und das Reich Gottes suchen, denn es ist mitten unter uns. Dann können wir einstimmen in die große Bitte: „dein Wille geschehe“

Dann ist Weihnachten auch dann, wenn der Tannenbaum längst abgeschmückt, das gute Geschirr im Schrank verstaut und die Familie abgereist ist.

Hoffnungen, mit denen man leben kann. Gemeinsam für heute und morgen.

 

 

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